Der zwei­te Ein­trag oder Von einem Haus, das ein Zuhau­se wurde

Der zwei­te Ein­trag oder Von einem Haus, das ein Zuhau­se wurde

Julia­ne Kratzer 

21/09/2022

Wäh­rend ich die­se Zei­len tip­pe, sit­ze ich in mei­nem Zim­mer hier im SAS Child­ren Cen­ter. Die Wän­de sind rosa und mit Sti­ckern von Heiß­luft­bal­lons, Ster­nen und der Madon­na beklebt. Der Lap­top steht auf einem klei­nen Schreib­tisch. Neben mir ist das Bett, auf dem mein Pyja­ma und „Got­tes Werk und Teu­fels Bei­trag“ von John Irving liegen.

Wür­de ich im rich­ti­gen Win­kel aus dem geöff­ne­ten Fens­ter schau­en, durch das Vogel­ge­zwit­scher in mein Ohr dringt, könn­te ich die Ein­fahrt, das Eisen­tor, das zur sel­bi­gen führt, den Gemü­se­gar­ten und die Schau­kel aus alten Auto­rei­fen sehen. Wür­de ich mich etwas wei­ter aus dem Fens­ter leh­nen, könn­te ich auch einen Blick auf die neue Was­ser­pum­pe erha­schen. Nach­dem die 2016 gebau­te Pum­pe lei­der kaputt gewor­den ist, hat der Rota­ry Club Kenya dan­kens­wer­ter­wei­se eine neue, funk­ti­ons­tüch­ti­ge Pum­pe finanziert.

Direkt vor mei­nem Fens­ter liegt eine mit Gras bewach­se­ne, cir­ca 300 m² gro­ße Flä­che, die haupt­säch­lich als impro­vi­sier­ter Fuß­ball­platz dient. Die Tore sind mit Stei­nen mar­kiert. Dass das Gelän­de ein biss­chen abschüs­sig und damit das Fuß­ball­spie­len nicht immer abso­lut fair ist, scheint hier nie­man­den zu stören.

Hin­ter die­sem Rasen­stück befin­det sich ein blau gestri­che­nes Toi­let­ten­häus­chen, neben dem eine Rut­sche steht. Die­se wird beson­ders von den klei­ne­ren Kin­dern sehr ger­ne in Anspruch genom­men. Seit ich vor etwas mehr als einer Woche ange­kom­men bin, habe ich – glau­be ich jeden­falls – bereits alle erdenk­li­chen Varia­tio­nen, wie man sich auf die­ser Rut­sche hin­ab oder auch hin­auf bewe­gen kann, gesehen.

Der gesam­te Außen­be­reich und auch der Gemü­se­gar­ten sind sehr grün, was wohl zum einen an der zuvor schon erwähn­ten Was­ser­pum­pe liegt, vor allem aber an dem Gärt­ner Wawe­ru, der den Gar­ten in Schuss hält.

Ein ganz beson­de­rer Farb­tup­fer ist der knall­gel­be „All Souls School“ Bus, der meist vor dem Ein­gang zum Child­ren Cen­ter steht, aber natür­lich soll auch der kun­ter­bun­te Zaun, der die Ein­fahrt vom Gemü­se­gar­ten abgrenzt und dem gesam­ten Gelän­de einen freund­li­chen Ein­druck ver­leiht, nicht uner­wähnt bleiben.

So wie mein Zim­mer ist auch der Mäd­chen­schlaf­saal rosa gestri­chen, der der Jun­gen ist blau. Dar­in ste­hen die Bet­ten der Kin­der neben­ein­an­der auf­ge­reiht. An allen Bet­ten hängt ein Rosen­kranz, am Fußen­de steckt zwi­schen Matrat­ze und Bett­ge­stell je eine Zahn­bürs­te. An die Schlaf­zim­mer gren­zen die Waschräume.

Im Spei­se­saal (bzw. im Spei­se­zim­mer) befin­den sich vier Tische mit je zwei Bän­ken, auf denen die Kin­der ihre Mahl­zei­ten ein­neh­men, Haus­übung machen oder fern­se­hen. Der dazu­ge­hö­ri­ge Appa­rat hängt an einer der Wän­de umringt von Pos­tern von Super­hel­den, Hei­li­gen­bil­dern und Dora the Explo­rer, die auch ger­ne ein­mal als Vor­la­ge für eine Zeich­nung ver­wen­det werden.

In Gedan­ken durch­wan­de­re ich noch ein­mal das Child­ren Cen­ter, gehe durch die schwe­re Eisen­tür vom Spei­se­saal in den küh­len Vor­raum und stei­ge dann die Stu­fen in den zwei­ten Stock zu mei­nem Zim­mer hin­auf. Nun bin ich auch schon fast wie­der dort ange­langt. Ich öff­ne die blaue, knar­ren­de Tür und ste­he in dem Raum, in dem ich die­sen klei­nen Rund­gang begon­nen habe.

An alle, die mir in Gedan­ken bis hier­her gefolgt sind: Dan­ke sehr, Cha­peau an eure Vor­stel­lungs­kraft und Gra­tu­la­ti­on: Ihr habt nun einen klei­nen Ein­blick in das Leben von all jenen Per­so­nen bekom­men, die die­ses Gebäu­de ein Zuhau­se nennen.

Natür­lich wer­de ich wei­ter berichten.

Dan­ke sehr und bis bald,

Julia­ne

Der zwei­te Ein­trag oder Von einem Haus, das ein Zuhau­se wurde
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