Juliane Kratzer
13/10/2022
Juliane Kratzer
13/10/2022
Im Children Center gibt es eine Tür, die fast immer mit einem dumpfen Geräusch zufällt, wenn man sie offenlässt. Es ist die Tür zu dem Zimmer, das ich bei meinem Eintrag über das Haus schändlicherweise weggelassen habe: der Küche. Wahrscheinlich sind die Fenster, die dort immer offen sind, und der dadurch entstehende Luftzug für die sich-selbst-schließende Tür verantwortlich. Hinter dieser befindet sich ein hellgelb gestrichener Raum, in dem Bilder von Obst und die Küchenregeln hängen. Rechts von der Tür ist eine große Arbeitsfläche, auf der im letzten Drittel ein tragbarer Gasherd steht. An der gegenüberliegenden Wand sind zwei Waschbecken montiert. Darin wird das gesamte Geschirr, das im Children Center täglich anfällt, mit der Hand abgewaschen. Zwischen den Waschbecken und dem Gasherd befindet sich ein riesiges Behältnis, unter dem man ein Feuer entfachen kann. Darin wird das Wasser zum Waschen erwärmt. Gleich daneben sind zwei dieser Behältnisse in Kleinformat, in denen das Essen für die Kinder gekocht wird – ebenfalls betrieben mit Feuer. Zu guter Letzt gibt es noch eine kleine tragbare Feuerstelle, auf der man kochen, sie aber auch als Wärmequelle verwenden kann.
Ich glaube, nein ich bin mir fast sicher, die Arbeit in der Küche ist einem Workout gar nicht so unähnlich. Immerhin werden hier täglich vier Mahlzeiten für ungefähr 30 Personen vorbereitet. Dafür müssen auch mal 25kg Säcke Reis getragen, Töpfe von der Größe eines Kübels auf die Feuerstelle gehievt und Holzstücke gespalten werden. Besonders anstrengend scheint das Ugali-Machen. Ugali ist eine Art Brei aus Maismehl, der zu einer stichfesten Konsistenz gekocht wird. Damit man diese erreicht, wird die relativ hartnäckige Masse immer wieder umgerührt. Es ist ein bisschen so, als würde man versuchen, eine beträchtliche Menge an Knetmasse in einem heißen Topf nicht anbrennen zu lassen. Ich ziehe wirklich meinen Hut vor dem Team in der Küche, denn das sieht wirklich sehr schweißtreibend aus.
Eine weitere Besonderheit ist, dass das Gemüse oft nicht auf einem Brett geschnitten wird, sondern man nimmt es in die Hand und säbelt mit dem Messer feine Streifen ab. Wenn man sukumawiki (eine Art Kohl) zerkleinern will, rollt man die Blätter ganz eng zusammen, hält diese Rolle zwischen Daumen und Handfläche eingeklemmt und schabt feine Streifen herunter. Ganz ehrlich, als ich das das erste Mal gesehen habe, bin ich mir sehr sicher gewesen, dass gleich Blut fließen wird. Aber nichts dergleichen ist passiert. Ich selbst habe es aber – vermutlich aus Sicherheitsgründen – noch nicht ausprobieren dürfen, und wahrscheinlich ist das auch besser so.
Aber was gibt es denn nun für Gerichte? Das Frühstück besteht aus Toastbrot, Bananen oder hart gekochten Eiern und traditionellem Tee. Bei diesem handelt es sich um gewürzten Schwarztee, der mit viel Milch und Zucker aufgekocht wird. Einige tunken ihren Toast dann in diesen Tee. Zur täglichen Jause gibt es wieder Toast und Tee. Beim Mittag- und Abendessen (meist sind die Speisen bei diesen beiden ident) wird es dann schon abwechslungsreicher. Neben Ugali, dem oben schon erwähnten Maisbrei, kommt oft Reis, den man mit Karottenstückchen kocht, auf die Teller. Dazu gibt es Eintöpfe aus Bohnen oder Linsen. Auch beliebt sind mit Paradeiser und Zwiebeln angebratenes Kraut oder sukumawiki – traditionellerweise mit Ugali serviert. Diesen Maisbrei isst man übrigens nicht mit dem Löffel, sondern man formt aus der Masse kleine Bröckchen und verwendet diese, um sukumawiki (also den Kohl) mit den Händen in den Mund zu befördern. Klingt für europäische Ohren ein bisschen absonderlich, macht aber eigentlich ziemlich viel Spaß. Fleisch gibt es eher selten, und wenn, dann keine Filetstücke, sondern die Kinder nagen bereitwillig von den Knochen ab. Und obwohl mir bis jetzt wirklich alles hier sehr gut geschmeckt hat (nur der Tee und mein Verdauungstrakt sind noch nicht die besten Freunde), gibt es eine Sache, die ich wohl als meine Lieblingsspeise bezeichnen kann: Chapati. Dieses Fladenbrot wird mit viel Öl in einer kleinen Pfanne, die auf offenem Feuer steht, angebraten. Und auch als ich die Kinder nach ihren Lieblingsspeisen gefragt habe, ist neben Ugali, Tee und Fleisch auch das Wort Chapati gefallen.
Süßigkeiten gibt es nur, wenn Besucher*innen diese mitbringen, was wirklich nicht oft passiert. Hin und wieder gibt es Saft und dazu kleine Butterkekse. Trotzdem beschweren sich die Kinder nie und essen, ohne zu nörgeln, Fleischstücke vom Knochen, alles Gemüse, was man ihnen auf die Teller gibt, (egal wie grün es ist) und Bananen mit kleinen braunen Stellen. Außerdem bringen sie ihr Geschirr zurück in die Küche und beten vor und nach jeder Mahlzeit gemeinsam.
Bevor wir jetzt zum Ende (mit kleinem Rätsel) kommen, noch kurz ein paar Infos, woher die Lebensmittel kommen, die in der Küche verarbeitet werden: Das Gemüse stammt zum größten Teil aus dem eigenen Garten. Besonders Kohl, Kraut, Koriander und Erdäpfel wachsen sehr zahlreich auf dem Gelände. Zugekauft werden hauptsächlich Bananen, Zwiebel und Paradeiser. Das Toastbrot, das in rauen Mengen benötigt wird, findet durch Fahrer David seinen Weg in das Children Center. Manchmal, wenn er von seiner Tour zurückkehrt, kommen die Kinder, jedes bewaffnet mit 4 bis 5 Packungen Toast in die Küche und ein riesiger Toastberg wird aufgetürmt. Täglich kommt der Milchmann mit seinem Motorrad, auf das eine riesige Milchkanne montiert ist, zum Eingang der Küche gebraust und liefert die Milch. Auch Fleisch und Gemüse werden auf Motorrädern direkt zur Küche gebracht.
Vielleicht hast du jetzt ja Appetit bekommen. Wenn nicht, dann hoffe ich, dass du zumindest einen kleinen Einblick in das kulinarische Leben im Children Center aus der Lektüre dieses Textes gewonnen hast.
Und nun – wie schon angekündigt – zu guter Letzt ein kleines Schätzspiel.
Die Antworten gibt es im nächsten Eintrag. Viel Spaß beim Nachdenken und Schätzen!
Natürlich werde ich weiter berichten.
Bis bald,
Juliane